
Es gibt keine Qualität.
Es gibt nur Wahrnehmung!
Der Titel könnte irritieren. Denn die meisten gehen davon aus, dass Qualität ein feststehender, nicht beliebig definierbarer Begriff ist.
Das ist er aber nicht.
Forschungsergebnisse aus der Psychologie, der Wahrnehmungsforschung oder der Neurowissenschaft sind da sehr eindeutig: Wir reagieren nur auf das, was wir kennen. Und wie wir es kennen. Das bedeutet, Qualität ist für jeden von uns etwas anderes. Das wiederum ist davon abhängig, was wir über Qualität gelernt haben.
Ein schwäbischer Handwerker, sagen wir ein Elektriker, verlegt seine Leitungen beispielsweise immer exakt. Gerade und im sauberen Winkel. Dem Strom, der durch die Leitungen strömt, ist das herzlich egal. Das wissen wir. Trotzdem steht jedem Schwaben jedes Haar einzeln zu Berge, wenn er elektrische Leitungen in Italien sieht, die wie zufällig herumgeworfen an den Häuserwänden kleben.
Das ist nicht etwa so, weil es nur eine einzig richtige Methode gibt, Kabel zu verlegen. Sondern weil Schwaben gelernt haben, dass man Leitungen sauber und exakt verlegt. Und weil man ihnen eingetrichtert hat, dass es geradezu moralisch verwerflich ist, ein Kabel sich selbst zu überlassen. Der Italiener dagegen hat etwas ganz anderes gelernt: Dolce Vita ist wichtiger als ein Kabel. Basta.
Beide haben gute Gründe. Beide haben Recht. Und beide werden unterbewusst gesteuert, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung davon zu haben: Der Schwabe freut sich, fühlt sich bestätigt und sein Selbstwertgefühl steigt, wenn ein Kabel exakt verlegt ist. Der Italiener dagegen bemerkt das Kabel kaum. Sein Selbstwert wird viel mehr von Amore, Pasta und Grappa gesteigert.
Beide reagieren nicht wirklich auf das Kabel. Sie reagieren auf verknüpfte Lernerfahrungen, die Lob oder Tadel zur Folge haben. Richtig oder falsch wird also nicht durch die Qualität eines verlegten Kabels definiert. Sondern durch gelernte Erfahrungen. Und dass ein Schwabe im Laufe seines Lebens definitiv andere Erfahrungen sammelt ein als Italiener, liegt wertfrei aber gesichert auf der Hand.
Hier kommt das Belohnungssystem ins Spiel. Und das funktioniert unterbewusst, also implizit. Unsere kulturellen, gesellschaftlichen oder religiösen Erfahrungen lassen uns so reagieren, wie wir reagieren. Man nennt das auch das Bauchgefühl.
Der Verstand hingegen reagiert bewusst. Auf sachliche, faktische, nachprüfbare Informationen. Das nennt man explizite Wahrnehmung. Die bekommt er allerdings jeden Tag so häufig um die Ohren geknallt, dass er sie längst nicht mehr hören kann.
Nur 2 % dieser verfügbaren expliziten Informationen werden heute überhaupt noch wahrgenommen. Das ist Informationsüberlastung und Reizüberflutung in Reinkultur.
Jetzt befinden wir uns mitten in Marketing und Werbung. Und natürlich bei der Frage: Wie sag ich meinem Kunden, dass er am besten bei mir kauft. Anstatt beim Wettbewerb?
Was du NICHT mehr machen solltest, zeigt eine kleine Google-Recherche, die du mit fast jedem beliebigen Begriff aus der Werbewirtschaft machen kannst:
Du bist stolz auf deine Qualität?
Das sind laut Google 154.000.000 andere auch!
Du bist besonders innovativ?
Das sind laut Google 338.000.000 andere auch!
Du bist das Original?
Das sind laut Google 3.800.000.000 andere auch!
Du bietest excellenten Service?
Das tun laut Google 6.870.000.000 andere auch!
Also hör auf damit, deinen Kunden ausgelutschte Phrasen hinzuwerfen, die er sowieso längst nicht mehr glaubt. Wenn du Qualität lieferst, dann kommuniziere das dort, wo es ankommt: im (gelernten) Unterbewusstsein!
Explizite Informationen bleiben weiter wichtig. Aber die Wissensexplosion im Neuromarketing zeigt, dass erfolgreiche Werbung gelernte Muster mit fühlbaren Versprechen verknüpft.
Und das findet unterbewusst (implizit) statt.
© 2018 Thomas Eschment